"Y1" Tabak

10.04.2018 12:15 (zuletzt bearbeitet: 10.04.2018 12:18)
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#1 "Y1" Tabak
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Moin,

bei meiner Recherche nach weiteren Infos für den Burley Beitrag (die auch in den nächsten Tagen kommen werden), bin ich auf die Tabaksorte "Y1" gestoßen und wollte das einfach mal mit euch teilen!

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Die Entstehung und Geschichte(n) des Tabaks
Die Sorte "Y1" ist eine Kreuzung, bei deren Züchtung die Herren von "Brown & Williamson", einer Tochtergesellschaft der wohl allen Pfeifenrauchern bekannten BAT (British American Tobacco) die auch einige sehr bekannte Zigarettensorten vertrieb/vertreibt, involviert waren. James Chapin hat die Sorte für sie in den späten 70'er Jahren gezüchtet. Das ganze wurde vom damaligen Präsidenten Jimmie Carter persönlich abgesegnet.
Die Idee dazu kam auf, als James Chapin, welcher einer der Direktoren der "USDA (United States Department of Agriculture; vage eingedeutscht: Behörde für Agrarkultur) Research Laboratory in Oxford, North Carolina war, 1977 in seiner Veröffentlichung zum Welthandel "World Tobacco" der Meinung war, es bestünde eine Notwendigkeit (wohlgemerkt keine Nachfrage, nein... eine Notwendigkeit! ) nach einer Tabaksorte mit höherem Nikotinanteil.

In diesem Zuge züchtete er einige Hybride aus "Nicotiana tabacum" (unser "normaler" Tabak) und "Nicotiana rustica" (auch: "Bauerntabak") mit besonders hohem Nikotinanteil, die den Umweltbedingungen (z.B. Wind) nicht standhielten und (zu) schnell eingingen. Nur zwei seiner "Versuchskaninchen" überlebten:
Die Sorte "Y2", welche beim trocknen im Schuppen schwarz wurde und - Zitat - "wie alte Socken" gestunken hat...
.... und eben die Sorte Y1, welche als Erfolg verbucht wurde.
Die Sorte wurde noch einige male genmanipuliert und "fein-getuned", um sie Marktfähig zu machen. 1991 wurde der Y1 Sorte in einer Analyse ein hohes Marktpotenzial zugeschrieben, da sie in Brasilien, Honduras und Zimbabwe erfolgreich angebaut werden konnte, obgleich sie wohl schwer zu trocknen und anfällig für Schädlinge war.

Das 1991 von Brown & Williamson in den USA eingereichte Patent wurde jedoch abgelehnt! Ein Jahr später versuchte man es in Brasilien mit einer Patentierung - ebenfalls erfolglos! Der Widerspruch gegen die Ablehnung im Jahre 1994 wurde ebenfalls niedergeschmettert und alle Bemühungen auf eine Patentierung wurden eingestellt.

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(Kommerzielle) Nutzung der Tabaksorte
Die Kreuzung des "Y1" Tabaks war und ist sehr umstritten, da sie genmanipuliert wurde, um einen möglichst hohen Nikotinanteil zu besitzen! Hat eine "normale" Tabaksorte 3,2-3,5 % Nikotinanteile, sind es beim "Y1" um die 6,5%, sprich: doppelt soviel! Der Teeranteil sei aber gleich den "normalen" Sorten und der Geschmack wäre auch nicht beeinträchtigt und wettbewerbsfähig mit den "normalen Sorten".

Bereits 1991 wurde die kommerzielle Nutzung von "Y1" bei der BAT besprochen und obgleich die Sorte keine Zulassung in den USA hatte, wurde sie laut einem ehemaligen Mitarbeiter der BAT seit 1993 in gängige Zigarettensorten gemischt. Den Vorwurf eine Sorte mit extra hohem Nikotinanteil angestrebt zu haben lehnte man - entgegen dem offensichtlichen Fakt - einfach ab und "Y1" wurde regulär in Zigarrettenblends wie "Raleigh, Prime und Summit" gemischt. Lange Zeit beharrte man darauf, dass "Y1" nicht wegen des hohen Nikotinanteils gezüchtet wurde und dass die Sorte gar niedrigere Teerbildungen vorweisen könne. So wurde "Y1" bis 1999 regulär in Zigarettenblends gemischt!
Der "Y1" Tabak soll es auch in britische und deutsche Zigarettensorten "geschafft" haben, in welche genau ist bis heute unklar.

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Rechtliche Kontroversen
1990 begann die FDA (Food and Drug Administration; die übrigens auch für die neuen, absurden Regelungen auf dem US-Tabakmarkt verantwortlich ist) unter der Leitung von Kommissar David Kessler eine Untersuchung, mit besonderem Augenmerk auf (Gen-)Manipulation von Tabaksorten, um einen höheren Nikotinanteil zu erreichen. Brown & Williamson stritt das natürlich wehement ab, doch 1994 hat die FDA ein Patent in Brasilien entdeckt, dass sie auf die "Y1" Kreuzung und Brown & Williamson's (im Weiteren "B&H") Verstrickungen in diese führte.
Selbst zu diesem Zeitpunkt stritt man bei B&H alles ab und der Vorsitzende Thomas Sandefur argumentierte:
"The brands that use Y1 deliver essentially the same nicotine as the products they replaced"
und warf Kessler politische Intentionen vor.

Kesslers Aussage zu dem Y1 Tabak ist online lesbar: "TESTIMONY JUNE 21, 1994 DAVID A. KESSLER COMMISSIONER FOOD AND DRUG ADMINISTRATION HOUSE ENERGY/HEALTH AND THE ENVIRONMENT REGULATING TOBACCO PRODUCTS"

1999-2000 wurde dann der große FDA vs. Brown & Williamson Tobacco Corp." Fall aufgerollt, in welchem die FDA anstrebte ein Recht auf die Regulierung von Tabakwaren zu erreichen. In diesem Prozess spielte - unter anderem - auch der "Y1" Tabak eine entscheidende Rolle. Hier wurde B&H weiterhin vorgeworfen Y1 nur gezüchtet zu haben, um einen möglichst hohen Nikotinanteil zu erzielen. Die Nutzung und der Verkauf von "Y1 Tabak" wurde als illegal eingestuft und verboten. Weitere Angeklagte war die "DNA Plant Technology", welche an der Züchtung und dem Anbau des Y1-Tabaks entscheidend beteiligt war. Sie wurden des illegalen Schmuggels von Y1-Samen außerhalb der USA bezichtigt. DNA Plant Technology räumte bereis 1998 ihre Schuld ein und half von da an bei den Ermittlungen und dem Verfahren gegen Brown & Williamson. Doch der "Supreme Court" (dt.: Oberster Gerichtshof) entschied im März 2000, dass die FDA keinerlei recht hätte Tabak als eine Droge einzustufen. Das Verfahren war also eine Niederlage für die FDA und B&H kamen "mit einem blauen Auge davon".

Aber auch in der Zukunft wurde B&H weiterhin vorgeworfen, dass Y1 nur gezüchtet worden war, um die Abhängigkeit der Raucher zu maximieren und es folgten einige weitere Gerichtsverfahren. Unter anderem ermittelte auch die Pan American Health Organization (PAHO) gegen B&H und den Y1-Tabak.
Über deren Ausgang und die genaue Rechtslage bezüglich des "Y1-Tabaks" kann ich leider keine Informationen finden, aber meine Recherche ergab, dass die Samen weiterhin vertrieben werden und in Foren auch über den Anbau dieser Sorte diskutiert wird! (z.B. HIER in einem Tabak-Anbau Forum oder gar in einem Fair Trade Tobacco Forum) Ob und wie der Tabak heute genutzt wird weiß ich leider nicht genau!

Alles in allem ein mehr als interessanter und - wie ich finde - zurecht umstrittener Tabak! Wer das Hauptaugenmerk auf den Nikotinanteil bei der Züchtung von Tabaksorten legt, kann mMn einfach nicht abstreiten, dass es um Gewinnmaximierung und möglichst abhängige Konsumenten geht! Anstatt einen möglichst runden, aromatischen Geschmack anzustreben, zielt man auf einen doppelt so hohen Nikotinanteil als üblich ab... irre! Auch wenn ich kein Fan der FDA und ihren irrsinnigen Regulierungen bin - bei der Klage gegen B&H und den Y1 Tabak bin ich voll bei ihnen!

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Was ist eure Meinung zu dem Tabak? Habt ihr eventuell sogar weiterführende Informationen, die hier noch fehlen? Teilt doch gerne eure Meinungen und Infos, die ihr zu dem Thema habt! :-)

Meine Quellen und weiterführende Lektüre:
- Y1 Tobacco (Wikipedia.com)
- FDA v. rown & Williamson Tobacco Corp. (Wiki.com)
- How To Grow Tobacco Forums
- David Kessler's Aussage bzgl. des Y1 Tabask
- "Prying Open the Door to the Tobacco Industry's Secrets About Nicotine: The Minnesota Tobacco Trial"


Liebe Grüße,

Deniz

Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen haben keine Lieder.


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10.04.2018 19:41
#2 RE: "Y1" Tabak
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. . . toll, wo Du immer die Informationen herbekommst! Und passt das mit dem nikotinstärkeren Tabak nicht total in diese verrückte Zeit, wo alles (bis auf wenige Ausnahmen) nur noch der Gewinnoptimierung untergeordnet wird? Aber es gibt zum Glück noch welche, die einfach nur dem Genuss der Pfeife frönen . . .


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